Heimat ist ein Gefühl #2 - Klassentreffen

Mit solchen Straßen bin ich gut bekannt.
Sie fangen an, als wären sie zu Ende.

Erich Kästner


'Ich hab’ Dir die Einladung für das Klassentreffen weitergeleitet, hast Du sie gesehen?' Meine Freundin aus Jugendtagen zieht die Augenbraue hoch und legt den Kopf schief: 'Aber Du kommst wieder nicht, oder? Warum eigentlich?'

Hm, gute Frage – auf dem Heimweg überlege ich, was denn die Gründe sein könnten, zu einem solchen Treffen zu gehen: alte Freundschaften (? geht schon los 😉) wiederaufnehmen, Kontakte neu knüpfen, vergangene Zeiten wiederbeleben ... und da spüre ich ein leichtes Ziehen – doch ein bisschen Sehnsucht?
Sehnsucht nach dem jüngeren Selbst, nach leichteren und unbeschwerteren Zeiten?

Ein wenig zweifelnd suche ich nach Erinnerungen aus dieser Zeit – unbeschwert?

Nein, das ist sicher nicht das richtige Wort für diese junge Frau, die ich einmal war, diese fühlte sich wortwörtlich nicht wohl in ihrer Haut, schon damals sehr deutlich spürte sie das Fernweh (das ihr bis heute geblieben ist  😊 ), sie war neugierig (da muss es doch noch mehr geben) und auch manchmal leichten Sinnes, sie fühlte sich oft ziemlich allein, im Großen und Ganzen gehörte sie wohl auch nicht wirklich irgendwo dazu, wollte es nicht, konnte es auch nicht.
Dieses leichte Ziehen ist dann wohl eher eine Sehnsucht nach einem Teil des Lebensgefühles, dass ich damals hatte: die Welt steht mir offen, nichts ist gewiss, das Abenteuer lockt und ich kann endlich hier (!) raus. Da passt Heimweh oder Heimat nicht.

Daher also die Erkenntnis: auch wenn dieses Gefühl unendlicher Möglichkeiten auf mich auch heute noch sehr sehr große Anziehungskraft hat ... möchte ich doch lieber nicht in diese Zeit zurück und in den Erinnerungen daran liegen deutlich mehr scharfe Kanten und Narben als fröhliches Konfetti – diese Zeit, dieser Ort mit seinen Menschen war mir damals nicht Heimat.

Und so hatte sie also recht, meine liebe Freundin, auch dieses Treffen wird ohne mich stattfinden.